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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 270

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
270 Iii. Geschichtsbilder. auf der Grenze des Mittelalters und ! entspinnenden Folgen werden fortan des der neuen Zeit steht: in der Reformation. ' deutschen Reiches Geschicke bestimmt — Durch diese und die aus ihr sich j bis auf den heutigen Tag. 125. Die Fehmgerichte in Deutschland und besonders in Westfalen. Die Fehmgerichte, auch Freige- richte, Freistuhlsgerichte, die heimlichen Gerichte oder die heimliche Fehme ge- nannt, gehören zu denjenigen historischen Erscheinungen, welche von jeher das allgemeine Interesse in sehr hohem Maße in Anspruch genommen haben. Dieses Interesse aber knüpft sich hauptsächlich an die bisher gangbare Vorstellung von der Fehme, unter welcher wir uns ein schauer- liches Gemälde mittelalterlicher Willkür, Barbarei und Grausamkeit denken, und deren Versammlungen uns immer noch in Romanen und sogar in geschichtlichen Lehrbüchern als blutdürstige Tribunale geschildert werden. Daher ist es nicht zu verwundern, wenn der Laie im guten Glauben noch an den alten Vorstellun- gen festhält. Dem ist aber nicht so. Die Fehmgerichte erstreckten ihre Wirksamkeit fast über das ganze deutsche Reich; sie waren nichts anderes als be- sonders privilegirte kaiserliche Gerichte, deren Vorsitzer, die Fr ei grafen, den Blutbann, d. h. das Recht über Leben und Tod zu richten, vom Kaiser selbst persönlich, oder von seinem Stellver- treter dem Kurfürsten von Köln empfin- gen. Da diese von Kaiser und Reich zu Recht bestehenden Gerichte auch an- erkannt waren, brauchten sie das Licht des Tages nicht zu scheuen. Es ist Irrthum, wenn man glaubt, wie es meistentheils geschieht, sie seien in dunk- ler Nacht in unterirdischen Höhlen, in verborgenen Gewölben oder in unzu- gänglichen Wäldern gehegt worden, im Gegentheil: sie waren am hellen Tage an den allbekannten Gerichtsplätzen, zu denen der Zutritt niemals verwehrt war. Diese Plätze, die man mit dem besonderen Namen „Freistühle" be- nannte, lagen stets unter freiem Him- mel, meist unter einer Linde oder Eiche, oft dicht bei Städten oder Burgen, ja zuweilen mitten in ihnen. Ebenso wenig wie die Stätte des Gerichts waren auch die Richter, die sogenannten „Freischöffen" unbe- kannt; in ihrer engern Heimat kannte vielmehr sie Jedermann, und außer- halb derselben durften sie sich offen rühmen, Freischöffen zu sein, da dieses, wenigstens in der Zeit der Blüthe, also in der ersten Hälfte des 15. Jahrhun- derts, im ganzen Reiche der beste Sicher- heitspaß war. In dieser Zeit dehnten die Fehmgerichte ihre Wirksamkeit über ganz Deutschland aus und aus allen Gegenden des Reiches ließen sich die Männer unter die Freischöffen auf- nehmen oder wurden, wie es hieß, „wissend". Bei einem einzelnen wichtigen Fehmprozeffe waren zuweilen viele hun- dert bis tausend Freischöffen um den Freistuhl versammelt, wie z. B. bei der Verfehmung des Herzogs Heinrich von Bayern, 1429. Jeder Deutsche, der frei geboren und unbescholten war, konnte Freischöffe werden, wenn sich wenigstens zwei Freischöffen für ihn verbürgten. Die Aufnahme konnte nur an einem Freistuhle geschehen und zwar mit genauer Beobachtung der vorge- schriebenen Formalitäten: Zwei oder mehr Freischöffen traten vor den auf einem Stuhle sitzenden Freigrafen und baten um die Erlaubniß, den unwissen- den Mann in die heimliche Acht bringen zu dürfen; zugleich verbürgten sie sich für seine Freiheit und Unbescholtenheit. Dann wurde derselbe in's Gericht ge- führt; mit entblößtem Haupte kniete er vor dem Freigrafen nieder, vor dem auf einem Tische zwei gekreuzte Schwer- ter und ein Strick lagen; auf diese legte nun jeder seine Hand und schwur den Eid, „daß er die Fehme heilig halten wolle vor Weib und Kind, vor Sand und Wind, vor allem, was Gott hat werden lassen zwischen Himmel und Erden." Dann sagte der Freigraf ihm

2. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 299

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
137. Der Volksaufstand in Bayern. 299 An 2000 Leichen bedeckten das Schlachtfeld; 5—600 Schwerverwundete wurden nach München geschleppt, aber von den Siegern auf den Straßen in ihrem elenden Zustande liegen gelassen, wo sie verbluteten, verschnrachteten, erstarrten, mit Ausnahme derjenigen, welche die Bür- ger, endlich ihre Furcht überwindend, in ihre Häuser oder in die Spitäler brachten. Die Anführer des Zuges wurden, nachdem ihre Wunden geheilt, aus dem Schrannen- platze hingerichtet, der Jägerwirth ge- viertheilt und dessen Kopf auf einem Spieß am rothen Thurme aufgesteckt. Iii. Die Kunde vom unglücklichen Ende des Oberländer Landsturms hatte bei den Unterländern solchen Schrecken verbreitet, daß das Heer entmuthigt sich aufzu- lösen drohte. Schon waren viele Ver- zagte aus den Reihen der Landwehr ge- treten, und es bedurfte der Thätigkeit, Klugheit und des Ansehens Plingansers, die Uebrigen nicht nur zusammen zu halten, sondern auch die Entwichenen wieder zu den Fahnen zu bringen. Die meisten Festungen waren in der Gewalt der Landesdefensoren und diese wünsch- ten nichts sehnlicher, als für die Nie- derlage bei Sendling Rache an den Kaiserlichen nehmen zu können. Aber an dem verabscheuungswürdigen Ver- halten mehrerer Herren vom Adel, na- mentlich der Barone Prilmaier und d'olfort, scheiterte der Muth und die Beharrlichkeit des Landvolkes. Von Anfang an waren Adel und Geistlich- keit der Erhebung nicht zugethan, sei es, weil sie unter den Erpressungen weniger zu leiden hatten, sei es, weil sie keine Hoffnung eines guten Aus- ganges hegten. Wenn ihnen deßhalb die Theilnahms- losigkeit nicht zum Vorwurfe gereichen kann, so muß es doch Mißbilligung, ja Abscheu erregen, daß mehrere bayerische Adelige und Beamte Verräther wurden an der Sache ihres Vaterlandes. Die beiden oben genannten Barone hatten es dahin zu bringen gewußt, daß ihnen Befehlshaberstellen übertragen wurden, die sie aber nur benutzten, um den Oesterreichern die Unterwerfung des Landsturmes zu erleichtern. Als es am 8. Januar 1706 bei Aidenbach, zwei Stunden von Vilshofen, zu einem Zu- sammentreffen mit den Kaiserlichen kam, zögerten die Anführer Prilmaier und d'olfort mit ihrem Eintreffen so lange, bis es zu spät war; ja während der Schlacht selbst verharrten sie in ihrer Unthätigkeil. Inständig hatte man den Baron Prielmaier gebeten, dem Feind entgegen zu rücken. Er erklärte, er wolle lieber seine Befehlshaberstelle nie- derlegen, als den Bauern beistehen. Roch tadelnswerther benahm sich d'olfort, welcher sagte, er lasse sich lieber maffa- kriren, als mit Bauern gegen einen regulirten Feind gebrauchen. So muß- ! ten die verlassenen Landleute das Ver- derben über sich ergehen lassen. Um die Mittagsstunde rückte Kriechbaum in dichten Reihen auf die Bauern an. Unerschüttert hielten diese den Angriff aus; kamen die besser geschulten Ab- theilungen unter Prilmaier und d'ol- fort *) ihnen zu Hülfe, so mochten sie der Oesterreicher Herr werden. So waren die Bauern auf sich allein an- gewiesen. Zu alle dem trat noch das Mißgeschick, daß der Anführer Hoff- mann den Kopf verlor und furchtsam einem nahen Gehölze zufloh. Nun kam Schrecken und Verwirrung unter die Bayern. Die meisten hielten todes- verachtend Stand: aber von den wüthen- den Feinden in die Mitte genommen, blieb ihnen kein Ausweg. Keiner wollte Pardon. So entstand ein Morden, gräßlicher noch, als bei Sendling. Eine Stunde im Umkreise war das Feld von Leichen bedeckt und weithin der Schnee geröthet vom Blute der Erschlagenen. Ueber 2000 Bayern sollen gefallen sein. Meindl kam mit seinen Schützen noch eben recht, um die zerstreuten Flücht- linge zu sammeln. Noch immer war der Muth der Landesvertheidiger nickt gebrochen. Aber die österreichisch Ge- sinnten bekamen die Oberhand, und so mußte jeder geordnete Widerstand auf- gegeben werden. Als Plinganser mit 4000 Mann durch Braunau gegen die *) Dieselben bestanden aus gedienten Leu- ten des aufgelös'ten bayerischen Heeres.

3. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 300

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
300 Iii. Geschichtsbilder. Oesterreicher ziehen wollte, verweigerte d'olfort nicht nur den Einlaß, sondern er ließ Kanonen gegen seine eigenen Landsleute aufführen; dagegen öffnete er den Oesterreichern von der andern Seite die Stadt. So gingen alle Fe- stungen und Städte wieder an die Oester- reicher verloren. Einzelne Haufen lei- steten da und dort noch hartnäckigen Widerstand; doch sie wurden überwältigt, zerstreut, gefangen, entwaffnet. Auch Meindl, der sich bei Wasserburg noch verschanzt hielt, verließ, nachdem er Alles verloren sah, seine Schaaren. Der edle Plinganser zerbrach verzweifelnd sein Schwert und floh aus dem unglücklichen Vaterlande. So endete diese Erhebung, welche den glorreichen Aufständen der Tiroler an die Seite gestellt werden darf, zwar nicht im Glücke der Waffen, wohl aber in edler Begeisterung, Vaterlandsliebe und treuer Anhänglichkeit an den Fürsten! 138. Karl Albrecht und Maximilian Joseph Ul in Bayern. 1. Der Tod des Kaisers Karl Vi., des letzten männlichen Sprossen aus dem habsburgischen Hause, rief in Deutsch- land wieder ernste Verwicklungen her- vor. Auf Grund eines von Karl Vi. unter Zustimmung der Stände und der meisten deutschen und auswärtigen Re- genten erlassenen Hausgesetzes, der prag- matischen Sanktion, trat Karls Vi. einzige Tochter Maria Theresia die Regierung in sämmtlichen österreichischen Kronländern an. Kurfürst Karl Al- brecht von Bayern aber war nicht ge- neigt, seine durch Kaiserferdinands l. Te- stament verbrieften Ansprüche auf Oester- reich und Böhmen so leichthin bei Seite schieben, zu lassen. Frankreich und das junge, mächtig aufstrebende König- reich Preußen suchten den Erbschafts- streit zu ihrem Vortheil auszubeuten und ermunterten den bayerischen Kur- fürsten in seinem Widersprüche gegen die pragmatische Sanktion, wenn gleich beide Staaten dieser früher ihre Zustimmung gegeben hatten. Da nun Oesterreich Bundesgenossen an England und Holland, später sogar an Rußland fand, so stund bald beinahe ganz Europa abermals wi- der einander in Waffen. Wie im spa- nischen Erbfolgekriege mußte Bayern die bittere Erfahrung machen, daß Frank- reich nur aus eigenem Interesse Karl Albrechts Parthei ergriffen hatte, und daß es diesen in der Roth ebenso seinem Schicksale überließ, wie früher den Kur- fürsten Max Emannel. Preußen war in diesen Krieg ohne- hin aus keiner andern Absicht einge- treten, als sich auf Kosten Oesterreichs zu vergrößern; es kümmerte sich um Karl Albrecht nicht weiter, sobald es dieses Ziel erreicht hatte. So besaß dieser bloß Bundesgenossen, denen sein gutes Recht nur zu einem Deckmantel diente, unter dem sie ihre selbstsüchtigen Zwecke verfolgten. Ueber Karl Albrecht und seine treuen Bayern brachte dieser Krieg vielen Jam- mer. Wohl drang der Kurfürst An- fangs siegreich in Oesterreich ein und ließ sich in Linz als Erzherzog huldigen; statt aber geraden Weges auf Wien zu gehen, zog er nach Prag, um dort die böhmische Krone zu empfangen, zu welcher er bald darauf in Frankfurt noch die deutsche Kaiserkrone erhielt. Rur zu bald wendete sich das trügerische Kriegs- glück. Die Oesterreicher eroberten Bayern und nachdem der bayerische General Seckendorf es seinem Herrn ans kurze Zeit wieder gewonnen, siel es aber- mals in österreichische Hände und wurde nun wie zu Max Emanuels Zeiten als ein erobertes Land behandelt und sogar gezwungen, Maria Theresia, der Königin von Ungarn und Böhmen, zu huldigen. Karl Albrecht aber ward von Frank- reich wie von Preußen im Stiche ge- lassen. In Frankfurt saß er, ein Fürst ohne Land, ein Kaiser ohne Macht. Vom Mißgeschick gebeugt, rief er aus: „Mich wird das Unglück nicht verlassen, bis ich es verlasse!" Noch ein Licht- strahl siel in sein düsteres Loos: der greise Seckendorf hatte ihm Bayern zum zweitenmale erobert und

4. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 273

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
126. Die deutsche Hansa. 273 lokalen Bedeutung zu einem allgemeinen Wirkungskreise. Den Städten selbst gab der Kampf das Bewußtsein ihrer Macht und die Erkenntniß von den Mitteln und Wegen, sie zu erhalten und zu vermehren. Wahrscheinlich fällt in diese Periode auch die erste Ver- fassungsurkunde des Bundes, wie sie auf einer in Köln abgehaltenen Tag- fahrt beschlossen wurde. Derselbe hat von Anfang bis zu Ende den Handel und vorzüglich den auswärtigen Handel, seinen Schutz und seine Ausbreitung, die Behauptung bereits erworbener und die Erwerbung neuer Handelsprivilegien und Rechte zum Gegenstand gehabt. Zu diesem Behufe sagten sich seine Glieder wechselseitige Hülfe zu Land und Wasser zu, allge- meine Vertheidigung jedes einzelnen Mitgliedes, das angegriffen würde, gleichen und gemeinschaftlichen Genuß der gewonnenen Rechte und Freiheiten. Die höchste Bundesgewalt stand den städtischen Deputirten zu, welche sich auf einem Hansalage rechtskräftig ver- sammelt hatten. Obgleich der Ort der Versammlung gesetzlich auf keine be- stimmte Stadt beschränkt war, so hatte man sich doch gewöhnt, das alte und mächtige Lübeck allmählich als das ge- meinschaftliche Haupt der Hansa anzu- sehen und vorzugsweise innerhalb sei- ner Mauern die Bundesangelegenheiten zu berathschlagen. Jede wirkliche Bun- desstadt war befugt, zu der Tagfahrt ihre Abgeordneten zu senden. Außer den Deputirten der Hansestädte erschie- nen auf den gemeinen Tagfahrten, we- nigstens eine geraume Zeit hindurch, auch Abgeordnete des deutschen Ordens, der mit der Hansa auf dem Fuße in- nigster Freundschaft stand und mit ihr das vereinte Interesse hatte, keines der nordischen Reiche zu einer einheitsvollen, beiden gleich gefährlichen Kraft gelan- gen zu lassen. Richt selten schickten die größten Fürsten, der Kaiser selbst, die Könige von England und Frankreich, Schweden und Dänemark außerordent- liche Gesandte zu den Tagfahrten, um ihre Anliegen und Werbungen bei der Hansa vorzubringen. Die gefaßten Be- schlüsse wurden in Form eines Recesses, Marschall, Lesebuch. Abschiedes, gesammelt und Lübeck lag ob, über die Ausführung zu wachen. Ueberhaupt war die solidarische Ver- waltung der Bundesangelegenheiten die- ser Stadt so gut wie ausschließlich über- tragen, sie übte die Vertretung nach Außen, sie führte die Correspondenz mit den fremden Mächten, mit den Faktoreien und was sonst die laufenden Geschäfte waren. Unter ihrer Aufsicht standen das hansische Archiv und die gemeinschaftliche Casse, sie fertigte alle Staatsakte mit ihrem Stadtsiegel aus. Auch war sie im Verein mit den nächst belegenen Städten ermächtigt, im Fall dringender Roth oder bei geringer Er- heblichkeit der Sache nach eigener An- sicht rechtskräftige Beschlüsse zu fassen. Also gelangte Lübeck mehr und mehr zur Hegemonie des Bundes, welche es würdig und oft mit eigener Aufopferung führte und darob von Köln vergeblich angefochten wurde. Bei dem wachsen- den Umfange der Hansa und ihrer Aus- dehnung bis tief in das Binnenland stellte sich bald als zweckmäßig heraus, sie nach ihrer Lage und Beschaffenheit in mehrere Kreise, „Quartiere", abzutheilen, welche unter Vorsitz einer Hauptstadt, „Quar- tierstadt", alle speziell ihrem Bezirk an- gehörigen Interessen verhandelten, eilende Hülfe den Bedrängten leisteten, sich über die auf dem allgemeinen Hansatage zu stellenden Anträge beriethen und die Verbindung mit Lübeck und den andern Kreisen unterhielten. Anfangs nur drei Quartiere, erweiterten sie sich später bis zu vier: das wendische mit Lübeck; das westfälische mit Köln; das sächsische mit Braunschweig; das preußische mit Danzig. Um die Gesetze des Bundes aufrecht zu erhal- ten, gab es verschiedene Strafen, zu- meist Geldbußen, die zugleich als Ein- nahmsquelle dienten, sodann den größeren und kleineren Bann, d. h. beständige oder temporäre Ausschließung aus dem Bunde. Dadurch ging die Stadt der Rechte, der Genossenschaft im In- und Auslande verlustig, des Genusses der hansischen Comptoire, sowie aller dem Bunoe zustehenden Privilegien, und es begreift sich, wie wirksam ein solcher Bann für eine Handel und Verkehr 18

5. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 302

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
302 Iii. Geschichtsbilder. In München wurden die Thore ge- schlossen, jedes Geschäft ruhte, jede Lust verstummte. Es war, als wäre aus jedenl Hause ein Vater gestorben. Doch nicht in der Hauptstadt allein, im ganzen Lande erscholl lautes Wehklagen. Noch oft hörte man später im Munde des Volkes die Worte: „Am Todestage Max Josephs haben die Steine auf den Gassen geweint!" — Den Namen „der Gute" oder „der Vielgeliebte" verdient er mit vollem Rechte. Max Joseph Iii. war der letzte Nachkomme Ludwigs des Bayers, und nach seinem Tode ging die Regierung Bayerns an die ältere, Nudolfische oder pfälzische, Linie über, und Bayern und Pfalz wurden unter Karl Theodor nach mehr als fünsthalbhundertjähriger Tren- nung wieder vereinigt. A 139. Die französische Revolution. Kein Ereigniß der Neuzeit hat auf die Umgestaltung des politischen und socialen Lebens, vorab in Deutschland, einen so tiefgreifenden Einfluß ausgeübt, als die französische Revolution, weßhalb man auch von ihr an einen neuen Zeit- abschnitt in der Völkergeschichte datirt. Durch die auf jenes erschütternde Er- eigniß folgenden Kriege wurde Deutsch- land auf's tiefste und nachhaltigste er- schüttert; fast ein Vierteljahrhundert hin- durch war es der Schauplatz blutiger Kämpfe, nicht nur Fremder gegen Deutsche, sondern leider, wie zu den Zeiten des dreißigjährigen Krieges, Deutscher gegen Deutsche. Unter diesen Kriegen ging nicht nur der letzte Rest der alten Kaiser- herrlichkeit zu Grunde, sondern vielfache und umfassende Gebietsveränderungen gaben unserem Vaterlande in raschem Wechsel andere Gestalt und andere Ver- fassung, brachten es endlich in drückende Abhängigkeit von Frankreichs allgewal- tigem Herrscher, aus welcher sich erst das Volk in der glorreichen Erhebung der Befreiungskriege losrang. Die neueste deutsche Geschichte ist an die Geschichte der französischen Revolution und deren Folgen geknüpft, und wir sind daher genöthigt, dieselbe als den Schlüssel der kommenden Ereignisse in ihren Haupt- momenten kennen zu lernen. Auf Frankreich lastete in Folge der vielen Kriege Ludwigs Xiv., der Ver- schwendung am Hofe Ludwigs Xv. und der Theilnahme Ludwigs Xvi. am nord- amerikanischenfreiheitskampfe einefurcht- bare Staatsschuld, die um so drückender sein mußte, als der dritte Stand nahezu i allein die Steuern zu tragen hatte, in- | deß die sogenannten privilegirten Stände. Adel und Clerus, obwohl im Besitz be- deutenden Grundeigenthums und großer Renten, nur äußerst mäßige Abgaben leisteten. Das Uebel wurde noch ver- schlimmert durch eine heillose Finanz- verwaltung und besonders durch die un- zweckmäßige Art der Steuererhebung. Es bestand nämlich das Pachtsystem, durch welches einzelne Pächter zum Nachtheil des Staates und des Volkes sich un- mäßig bereicherten. Zu den finanziellen Mißständen trat noch ein tiefer sittlicher und religiöser Verfall, welcher von dem leichtfertigen Hofe Ludwigs Xv. ausge- gangen, und, wie ein unheilbarer Krebs- schaden um sich fressend, selbst bis in die unteren Schichten des Volkes eingedrungen war, so daß die verderblichen Lehren der sogenannten Aufklärer, welche in glänzen- der Sprache und mit eben so viel Scharf- sinn als Witz die bestehenden Mißbräuche tadelten, Zugleich aber auch jedweden Glauben an göttliche und menschliche Autorität untergruben, nur zu williges Gehör bei der Masse fanden. Auf dem französischen Throne saß Ludwig Xvi., ein Mann von großer Herzensgüte und reinen Sitten, aber ohne Willenskraft; eben so schwankend und zögernd in Entschlüssen, als schwach in Ausführung etwaiger Vorsätze, ein Herrscher, an dem sich furchtbar das Schriftwort erfüllte, daß die Sünden der Väter gerächt würden an den Söhnen bis in's vierte und fünfte Glied. Der wahrhaft edle und wohlmeinende König mußte sehen, wie ein Pfeiler um den anderen von der seitherigen Staatsord- nung abgetragen wurde, bis das ganze

6. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 275

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
127. Die neue Zeit Mit dem 15. Jahrhundert bereitete sich ein solcher Zusammenfluß von Be- gebenheiten vor, daß in Folge derselben die spätere Zeit ihren Charakter gänzlich ändert, und daß sie deßhalb vom Be- ginne des 16. Jahrhunderts an als neue Zeitepoche neben das Mittelalter tritt. Für die Gestaltung der neuen Zeit ist in doppelter Hinsicht wichtig die Er- oberung Sonst antinopels durch die Türken (1453), zuerst in sofern, als mit ihr ein neuer Staat in Europa auftrat, dessen Verhältnisse nicht ohne Einfluß auf das europäische Staatsleben blieben; noch mehr aber aus dem Grunde, weil eine große Anzahl griechischer Ge- lehrter sich vor dem Schwerte der Er- oberer nach Italien flüchteten, wo sie Freunde, Gönner und Beschützer der Gelehrsamkeit und einen für alles Große empfänglichen Sinn antrafen. Jetzt stieg der Eifer für die Alten zu einer Begeisterung, welche über die Nachbar» länder ausströmte und überall Liebe zu tieferem Studium weckte. Zugleich war es eine besondere Gunst des Schicksals, daß wenige Jahre zuvor, ehe die Flüchtlinge des Ostens die Ueber- bleibsel einer großartigen Literatur dem Westen überbrachten, diejenige Kunst er- funden ward, durch welche allein das unschützbare Eigenthum der Vergangen- heit ein Gemeingut werden konnte, die Buchdruckerkunst (1440). Diesefand in der Vervielfältigung und Verbreitung der alten Classiker ihre erste und edelste Beschäftigung; sie wurde die Dienerin der allmählich fortschreitenden, allgemein verbreiteten Intelligenz, die den Haupt- charakter und das unsterbliche Eigenthum unserer Jahrhunderte bildet. Auch die Kunst hatte begonnen, sich in verändertem Geiste zu verjüngen; die Malerei war in der byzantinischen Schule durch griechische Künstler wieder erweckt worden, nahm bei den italienischen Mei- stern einen neuen Aufschwung und ge- wann durch eine niederländische Erfin- dung, die Oelmalerei, unglanbliche Vor- züge. Im 15. Jahrhundert war Ita- lien der allgemeine Sitz der schönen Künste und feierte schon im nächsten deren Blüthezeit; von Italien lernten Frankreich, Deutschland und die Nieder- lande; und wie es im Alterthum und Mittelaller in verschiedenen Beziehungen die Beherrscherin der Menschheit war, so wurde es in der neuen Zeit deren Lehrerin. Zugleich erhielt die ganze Kriegs- verfassung eine Umgestaltung durch die allgemeine Anwendung des Schießpulvers und die Einfüh- rung stehender Heere. Die Kunde des Schießpulvers, wovon sich bei den Chinesen und alten Indern schon frühe bestimmte Spuren nachweisen lasien, wurde durch die Mauren nach Spanien gebracht und war schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern Europa's bekannt, ohne daß man die Kraft seiner Elasticität erforscht oder angewandt hätte. Die Erfindung von Feuerwaffen wird um das Jahr 1380 gesetzt und deutschen Mönchen, be- sonders Berthold Schwarz, zugeschrieben. Allein schon zu Anfang des 13. Jahr- hunderts ward Feuergeschütz von den Arabern in Spanien gebraucht, kam von da zunächst nach Flandern und dann nach Frankreich. Die erste Ausbildung erhielt das Geschützwesen in Frankreich durch Ludwig Xl, in Deutschland durch Kaiser Maximilian I. Den Grund zu den stehenden Heeren legte Karl Vii. von Frankreich. Von jetzt an entschied 18*

7. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 276

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
276 m. Geschichtsbilder. weniger die Tapferkeit des Einzelnen, als das Geschick ganzer Massen. Die Taktik wurde neu geschaffen und die Strategik erhielt eigentlich erst ihr Da- sein. Die Kriegsführung wurde zur Wissenschaft erhoben und das Artillerie- und Jngenieurwesen bildeten sich aus. Nicht der Zeit, aber der Bedeutung nach stehen unter den großen Begeben- heiten, welche den Anfang einer neuen Zeit begründen, als die ersten und fol- genreichsten oben an die Entdeckung Amerika's und die Auffindung des Seeweges nach Ostindien. Die Entdeckung Amerika's hat nicht bloß den Schleier gehoben, der einen bedeutenden Theil der Erdoberfläche bis- her den Bewohnern des andern Theils verdeckt hielt, nicht nur dem Handel und der Industrie ein unermeßliches Feld neuer Thätigkeit eröffnet, die Massö der Metalle vermehrt und die Bedürfnisse der europäischen Nationen gesteigert, son- dern auch der wissenschaftlichen Forschung ein neues, unendliches Gebiet aufge- schlossen. Der Scharfsinn des Menschen wuchs mit der Erweiterung des Feldes, das seinen Untersuchungen dargeboten wurde: die seemännische Astronomie, die physische 128. Der Reiö Am 31. Oktober 1517 hatte Dr. Martin Luther seine 95 Thesen an die Thüre der Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen und dadurch den Anstoß zu jener tiefen Bewegung der Geister gegeben, welche in ihrem weiteren Ver- laufe zur Glaubenstrennung führte; 41 dieser Sätze waren vom päpstlichen Stuhle als Irrthümer erklärt und Luther zum Widerrufe aufgefordert worden. Dieser aber verbrannte die Bulle und mit ihr das Gesetzbuch des kanonischen Rechts, durch welche Handlung der Bruch mit der römischen Kirche offen erklärt war. Der Zwiespalt der Gemüther trat mit jedem Tage schärfer hervor, und bittere Leidenschaftlichkeit führte das Wort. Unter solchen Umständen berief Kaiser Karl V. den Reichstag nach Worms, zunächst zur Bewilligung der Reichshülfe für den be- Geographie im weitesten Sinne, die be- schreibende Naturgeschichte haben ihre Gestalt seitdem gänzlich geändert. Die wichtigsten Folgen hatten beide Begeben- heiten für den Verkehr, der nun aus einem Landhandel in einen Seehandel umgewandelt wurde. Die alten Han- delswege wurden verlassen und neue aufgesucht; statt des Mittelmeeres ward jetzt der atlantische Ocean der Schau- platz des Welthandels und die an ihm liegenden Staaten stiegen in dem Maße an Macht, in welchem die am Mittel- meere sanken. Vor Allem mußte Italien die Herrschaft zur See an die pyrenäische Halbinsel abtreten, von der sie später an Holland und England überging. Wie Italien mußte auch Deutsch- land von der Höhe seiner Machtstellung abtreten. Das Kaiserthum hatte seine frühere Weltbedeutung verloren und in den kirchlichen Kämpfen der folgenden Zeit sank es bis zur völligen Macht- losigkeit herab. Während im Mittel- alter das deutsche Reich im Vordergrund der Geschichte stand, tritt es in der Neuzeit zurück vor den stets mächtiger aufstrebenden See- und Handelsstaaten des Westens. lag zu Worms. abstchtigten Römerzug, zugleich aber auch zum Austrag der kirchlichen Streitig- keiten. Wenn gleich der päpstliche Ge- sandte es mißbilligte, daß eine bereits vom Oberhaupte der Kirche entschiedene Streitfrage noch einmal weltlichen Rich- tern vorgelegt werden sollte, so blieb es doch bei der Bestimmung des Kaisers. Vom Kaiser und mehreren Fürsten mit sicherem Geleit versehen, brach Luther nach Worms auf und ward Tags nach seiner Ankunft vom Reichsmarschall Ulrich von Pappenheim vor die Reichsversamm- lung gefordert, am 17. April 1521. In der Versammlung saßen außer dem Kaiser und seinem Bruder, dem Könige Ferdinand, 6 Kurfürsten, 28 Herzöge, 30 Prälaten, viele Fürsten, Grafen, überhaupt 200 Personen. Das Wort gegen Luther führte der

8. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 305

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
141. Andreas Hofer und der Aufstand in Tirol. 305 jetzt aber mußten sich solche Gefühle tief im Innern bergen, denn wer es wagte, sie laut werden zu lassen, verfiel der Rache des corsischen Cäsaren, wie das Beispiel des Buchhändlers Palm von Nürnberg beweis't. Dieser hatte eine Flugschrift verlegt, welche über Deutschlands tiefe Erniedrigung klagte und das alte Freiheitsgefühl in den Deutschen zu wecken suchte. Der Mann mit dem deutschen Herzen ward in sei- ner Heimatstadt von französischen Gens- d'armen verhaftet, vor ein ftanzösisches Kriegsgericht in Braunau gestellt, und weil er den Verfasser der Schrift nicht nannte, — standrechtlich erschossen. Aber noch war das Maß des Elends nicht voll. Immer noch schienen Preu- ßen und Oesterreich dem Gewaltherrn an der Seine zu mächtig und mithin gefährlich. Im Feldzuge von 1806 und 1807 demüthigte er auch Preußen und im Jahre 1809 brach er den Rest von Oesterreichs Macht. So hatte er ganz Deutschland niedergeworfen, und seine Uebermacht schien besiegelt für alle Zei- ten. Das Land war unter der Geißel fortwährender Kriege ausgesaugt, das Volk niedergetreten, entmuthigt. Es trug seine Ketten knirschend, grollend, aber wagte kaum daran zu rütteln, denn nirgends leuchtete ein Stern der Hoffnung. Ganz Deutschland, ja Europa, war einem großen Friedhofe zu vergleichen, in dem die Unabhängigkeit und Freiheit der Völker begraben lag. „Du Land der Eichen, wo das Ja ertönet, Germania, mein herrlich Vaterland, Du Rächerin, wie liegst du da verhöhnet, Du Kriegcrin, wie bückst du abgewandt! Du, die die Schmach der alten Welt versöhnet, Die einen Weg zu Roma's Schicksal fand, Du Pflegerin des Tapfern und des Guten, Weinst Thränen in des fremden Rheines Flu- then!" (E. M. Arndt.) 141. Andreas Hofer und der Anfstand in Tirol. Noch vor den Schlachten von Aspern und Wagram war im Lande Tirol durch die österreichischen Bevollmächtigten Cha- steller und Baron Hormayr der Volks- aufstand zu Gunsten des Kaiserhauses vollständig eingerichtet worden; der Haß gegen Bayern war durch die wenn auch wohlgemeinten Neuerungen des Königs Maximilian, durch Willkür der fremden Beamten, besonders aber dadurch noch gesteigert worden, daß sogar der Name Tirol aufgehoben und das Land „Süd- bayern" genannt wurde. Die Häupter des Volksaufstandes waren Andreas Hofer von Passeier, ein schlichter, frommer Mann aus dem Volk, und von diesem hochgeehrt; zwar beschränkt von Einsichten, aber treu wie Gold, kräftig von Gliedern und stattlich von Ansehen mit seinem schwarzen Bart; im unteren Innthal Speckbacher, der beste Schütze weit und breit, verwegen zu jeder großen That und meisterlich klug. Und bald hatte ganz Tirol die bayerisch-französische Herrschaft abgeschüt- telt. Nun schickte Napoleon den Mar- schall Lefebvre mit vielem Kriegsvolk Marschall, Lesebuch. in's Land Tirol. Da verlor Chasteller den Muth; die Franzosen und Bayern drangen ein, gewannen einige Vortheile und mißhandelten die Tiroler, wo sie deren habhaft wurden, mit der unmensch- lichsten Grausamkeit. In dieser Noth ließen Chasteller und Hormayr die braven Tiroler im Stich und flüchteten. Da be- riefen Hofer und Speckbacher alles Volk auf den Berg Jsel bei Innsbruck, und ein Kapuziner, Namens Haspinger, kam auch dazu, ein Mann, mehr zum Feldherrn als zum Mönch erschaffen. Nun begann am Berg Jsel ein langer, furchtbarer Kampf des Volkes gegen die Landesfeinde. Der Speckbacher verlegte ihnen den Weg bei Hall. Er hatte einen jungen Sohn Andreas, der „Ändert" genannt; der Knabe folgte ihm lustig in's Gefecht und weil er selber nicht mitfechten durfte, so grub er keck die feindlichen Kugeln aus >der Erde heraus, wo sie eingeschlagen, sammelte sie in seinem Hütlein und brachte sie seinem Vater. Die Feinde erlitten ungeheuren Verlust, während die Tiroler gap frisch und wohlgemuth auf den heimischen 20

9. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 278

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
278 in. Geschichtsbilder. geistlichen und weltlichen Herren von ihnen forderten, die Plünderungen und Verheerungen, denen sie bei den häufigen Fehden ausgesetzt waren, der Druck der Austagen, welcher mit dem Eintritte neuer Bedürfnifie und dem steigenden Aufwande der Großen zunahm, beson- ders aber das Beispiel der benachbarten Schweizer, welche, der Herrschaft des Adels entledigt, von ihren Obrigkeiten mit keinen außerordentlichen Steuern be- legt und durch kein fremdes Kriegsvolk heimgesucht wurden, — all das nährte unter diesen Landleuten einen stillen Grimm, der nur eines schwachen äußern Anlasses bedurfte, um in Aufruhr und Empörung auszubrechen. Dabei fehlte es nicht an schwärmerischen und ver- schlagenen Köpfen, welche Geschick und Neigung hatten, sich des rohen Haufens zur Ausführung kühner Entwürfe zu be- dienen, und die vorhandenen Funken zur Flamme anzublasen. Im Jahre 1524 empörten sich in der Gegend von Con- stanz die Bauern wider den Abt zu Reichenau, weil er ihnen keinen evan- gelischen Prediger zulasten wollte. Die- sen ersten Bewegungen folgten bald andere heftigere. Am 1. Januar 1525 wurde der Abt zu Kempten von dem Landvolke, das im Verein mit den Städ- ten war, überfallen und nach Ausplün- derung seines Klosters gezwungen, durch einen Vertrag den Rechten, welche man ihm streitig machte, zu entsagen. Dieses Beispiel reizte die Nachbarn zur Nach- ahmung. Auf dem Gebiete der umlie- genden Bischöfe und Aebte, bald auch der Grafen und Herren, sammelte sich alles Landvolk in bewaffneten Haufen. Die Bauern ließen ein Manifest aus- gehen, in welchem sie den Vorwurf, daß sie Aufrührer seien, und daß das neue Evangelium dieses Urtheil ver- schulde, zu widerlegen suchten. In 12 Artikeln waren ihre Forderungen zu- sammengestellt, welche sich hauptsächlich auf das Wahlrecht ihrer Prediger, Ab- schaffung der Leibeigenschaft und Zehn- ten, Antheil an der Jagd, dem Vogel- und Fischfang, Benutzung der Gemeinde- waldungen, Festsetzung der Dienste, Ab- gaben und Pachtgelder u. dgl. bezogen. Immer furchtbarer wurde die Ge- stalt des Aufruhrs. Das Heer der Bauern wälzte sich aus Schwaben nach Franken. Ueberall wurden Burgen und Abteien erobert oder geplündert; aber freiwillig eröffneten die Bürger mehrerer Landstädte den Verkündigern einer neuen, ihnen günstigern Ordnung der Dinge die Thore. Dies geschah unter andern in dem württembergischen Städtchen Weinsberg, und ein Graf Ludwig von Helfenstein wurde bei dieser Gelegenheit mit seiner aus 70 Mann bestehenden Besatzung gefangen. Die Bauern, welche erfahren hatten, daß der schwäbische Bundeshauptmann diejenigen ihrer Bun- desgenossen, welche in seine Hände fielen, hinrichten ließ, wollten durch ein Bei- spiel der Wiedervergeltung schrecken und verurtheilten den Grafen mit seinen Leuten zum Tode. Vergebens flehte die Gemahlin des Gefangenen, ihr zweijäh- riges Kind auf dem Arme, die Anführer der Bauern kniefällig um das Leben ihres Gatten. Dieser wurde mit seinen Unglücksgefährten in die vorgehaltenen Spieße der Bauern gejagt und umge- bracht, während ein Bube, der ehemals in seinen Diensten gestanden, vor ihm herging und ihm auf einer Pfeife zum Tode, wie zum Tanze, vorspielte. Der Gräfin wurde das Kind auf dem Arme verwundet, sie selbst mißhandelt und auf einem Mistwagen nach Heilbronn geführt. Zu Heilbronn nahm ein engerer Ausschuß der Bauern seinen Sitz; die Grafen von Löwenstein wurden gezwun- gen, im Bauernkittel, mit einem weißen Stabe in der Hand, dahin zu wandern und die Annahme der zwölf Artikel zu beschwören. Da unterwarf sich ein großer Theil des Adels dem harten Ge- setz der Noth, und bezeichnete sich mit dem weißen Kreuze, welches die Bauern auf dem Hute oder auf der Brust trugen. Auch Ritter Götz von Berlichingen war einer der Bauernhaup'tleute geworden, aber, wie er selbst berichtet, nur aus Zwang, indem er in seiner Burg keinen Widerstand zu leisten vermochte und seine Flucht zum Kurfürsten von der Pfalz verhindert worden war. Aus dem Jaxt- und Taubergrunde zogen die Bauern — der sogenannte „schwarze Haufen" — gen

10. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 279

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
129. Der Bauernkrieg. 279 Würzburg und vereinigten sich mit den Aufständischen aus dem Odenwalde, dem „Hellen Haufen". Würzburg war in ihre Hände gefallen; die Feste aber, Marien- derg, widerstand ihren Stürmen. Der Bischof hatte Hülfe beim Pfalzgrafen ge- sucht und als dieser mit seinem Heere und den Truppen des Fürstbischofs im Anmarsche war, wendeten sich die Bauern südwestlich, in das Thal der Tauber. Der Überlegenheit des Geschützes und der Reiterei, wenn beide Waffen- gattungen gehörig angewendet wurden, vermochten die Bauern nicht zu wider- stehen. Bei Königshofen an der Tauber wurden sie in einer hitzigen Feldschlacht I geschlagen und bei Ingolstadt im Ochsen- furter Gau in einem zweiten Treffen gänzlich aufgerieben. Unzählige Gefan- gene wurden an den Landstraßen ge- hängt oder sonst umgebracht, zum Theil mit grausamen Martern, wie denn der Mensch, der dem Grafen von Helfen- stein zum Tode aufgespielt hatte, mit einer eisernen Kette an einen Pfahl ge- bunden und ringsum mit Flammen um- geben ward. Markgraf Kasimir von Brandenburg ließ zu Rothenburg alle Bürger und Einwohner durch einen Herold unter Trompetenschall auf den Markt berufen und dann ans der Stelle 11 der Anwesenden, am folgenden Tage aber 13 enthaupten. Die Weiber, die sich beim Aufruhr thätig bewiesen hatten, wurden am Pranger ausgestellt und zum Theil in's Narrenhaus gesperrt. Andern Theilhabern der Empörung ließ der Markgraf die Finger abhauen und die Augen ausstechen. Dies widerfuhr zu Kitzingen 58 Personen. Zugleich wurde die alte Form des Gottesdienstes überall wieder hergestellt und zur Ver- gütung des angerichteten Schadens eine schwere Auflage auf alle Bürger und Bauern gelegt. In den übrigen Theilen von Oberdeutschland wurde die Empö- rung in ähnlicher Weise bezwungen und bestraft. Die Zahl derer, die in den Schlachten, oder unter Henkershand, oder in den Flammen der angezündeten Ort- schaften umkamen, mochte sich in die Hunderttausende belaufen. Die blühend- > sten und volkreichsten Ortschaften waren ! Einöden geworden, voll rauchender Trüm- mer und Leichenhaufen. Die Grafen und Herren aber, die mit den Bauern gezogen waren, verschwinden aus der Geschichte dieses Krieges; nach dem un- glücklichen Ausgange haben sie sich wahr- scheinlich auf ihre Burgen zurückgezogen. Nur Götz von Berlichingen machte eine unglückliche Ausnahme. Als er nach Stuttgart ritt, überfielen ihn unterwegs Bündische. Nach mehrjähriger Gefan- genschaft in Augsburg wurde er zu im- merwährender Haft auf seinem eigenen Schlöffe verurtheilt. Er mußte schimpf- liche Urfehde schwören, nie über die Grenzen seiner Burg zu schreiten, nie wieder zu Pferde zu sitzen und nie eine Nacht außerhalb seines Schlosses zuzu- bringen, für Uebertretung eines dieser Punkte aber ein Strafgeld von 25,000 Gulden zu zahlen. So lebte er elf Jahre, und erst nach Auflösung des Bun- des ward er vom Kaiser begnadigt. Während dies in Schwaben und Franken geschah, war Thüringen und Sachsen der Schauplatz einer Bewegung, welche mehr noch als der Aufstand in Oberdeutschland in bedenklicher Ver- wandtschaft mit der kirchlichen Neuerung stand. Thomas Münzer, ein überspann- ter Kopf, behauptete einen besonderen Auftrag von Gott zu haben, die Aus- erwählten zu einem Bunde zu vereini- gen und das Reich Gottes auf Erden in Erfüllung zu bringen. Er zog gegen geistliche und weltliche Obrigkeit los, erklärte letztere für unchristlich und pre- digte die Gütergemeinschaft. Solche Lehren gefielen dem großen Haufen. Die Armen arbeiteten nicht mehr, und wer Tuch, Getreide oder sonst etwas nöthig hatte, forderte es vom Reichen aus christlichem Rechte. Ward es ver- weigert, so nahm man es mit Gewalt. Die Mönche waren aus Mühlhausen vertrieben und deren Güter von Thomas Münzer in Besitz genommen worden. So trieb der Prophet sein Wesen ein Jahr lang, und inimer größere Haufen Landvolks strömten zu ihm. Da rückte Landgraf Philipp von Hessen mit 6000 Alaun gegen die Aufrührer. Bei Fran- kenhausen hatten diese eine Wagenburg geschlagen. Münzer verhieß den Seinen gewissen Sieg und den Beistand des
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